Couleurstudentische Informationen |
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Vielfalt der Verbindungen | |||||||||
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Ein Artikel aus dem Schallaburg-Katalog
Fast unbeachtet hatten sich auch im Baltikum Korporationen gebildet. 1802 wurde in Dorpat eine Kaiserlich Russische Universität gegründet, an der bis 1889 Deutsch die Unterrichtssprache war. Die erste Verbindung, die dort ins Leben trat, war die 1808 gegründete Landsmannschaft Curonia, der bald eine Estonia (1821), Livonia (1822) und Fraternitas Rigensis (1823) folgten.
Die baltischen Bräuche erweisen sich bei näherer Prüfung in vielen Fällen als archaische Frühformen studentischen Brauchtums, die sich am Anfang des vorigen Jahrhunderts nach Dorpat verpflanzten. Es ist dies eine naheliegende und wohl auch an deren Beispielen nachweisbare Erscheinung, daß in den Außenpositionen einer Kultur die Überlieferungen besonders sorgfältig gewahrt und schon aus dem Gebot der elbsterhaltung und Selbstbehauptung mit besonderer Liebe und Treue gepflegt werden.
Bis zur Wiederbegründung der Universität Dorpat im Jahr 1802 (Erstgründung 1632) hatten die Söhne Liv-, Est- und Kurlands fast ausschließlich an deutschen Universitäten studiert und sich auch seit der Mitte des 18. Jahrhunderts landsmannschaftlich zusammengeschlossen.
Die seit 1808 in Dorpat bestehende Curonia setzte sich zum Teil aus Angehörigen dieser Convente zusammen und übernahm daher die Formen und Gebräuche, die in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Jena und Göttingen und anderen Universitäten Deutschlands lebendig waren. Diese gab sie auch den anderen, in kurzer Folge in den zwanziger Jahren in Dorpat entstehenden Corps weiter; und so wurden hier in Dorpat und später in Riga studentische Sitten weitergepflegt, die manchmal im Laufe von mehr als hundert Jahren im Ursprungsland selbst in Vergessenheit geraten konnten, so zum Beispiel die Fechtweise, die, aus Göttingen kommend, sich bis kurz vor der Umsiedlung im Jahre 1939 in Dorpat und Riga gehalten hat.
Die zeitweise Illegalität der Corps führte zu einer besonderen Verinnerlichung des Corpslebens, bei dem die Freundschaft Vorrang vor allen anderen Reglementierungen hatte. So war der Kneip-Komment weitgehend unbekannt, und auch die lockere Form des Sitzens an kleinen Tischen (und nicht an einer Tafel) unterstreicht das Bestreben nach persönlichem Gespräch. Die Fuchsenerziehung war um einiges schärfer als bei allen anderen Korporationen, z. B. daß zahlreiche manuelle Dienste verlangt wurden, täglich gepaukt werden mußte und auch mit geistigen Waffen ständig Attacken geritten wurden. Der Fuchs hatte eine - meist schwarze - eigene Fuchsenmütze.
Seit 1989 wurden in den baltischen Staaten zahlreiche Korporationen reaktiviert.
Ab 1808 waren, wenn auch nicht mit dauerndem Bestand, unter Übernahme deutscher Formen russische Studentenverbindungen in Göttingen, Berlin, Dorpat, St. Petersburg und Leipzig entstanden.
1909 wurde sogar in Moskau eine ihrem Wesen nach den baltischen Korporationen verwandete "Concordia Moscoviensis" und in Odessa eine eher gesellige "Teutonia Euxina" gegründet.
In St. Petersburg (Leningrad) entstanden bis zum Ersten Weltkrieg 15 russische, deutsche, polnische und estnische Korporationen . Bei der ältesten von ihnen, der 1837 gegründeten Ruthenia, war Alexander Puschkin ständiger Gast. Einen dauernden Bestand hatten erst dic 1847 an der Medico-chirurgischen Akademie gestiftete Nevania und einige nach ihr entstandene Korporationen. Den Esten Weltkrieg überlebte aber nur eine einzige von ihnen, die im September 1918 ihren Sitz nach Dorpat, in die von Rußland losgetrennte Republik Estland, verlegte.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam es dann zur Gründung von insgesamt, l4 russischen Korporationen in den nunmehr selbständig gewordenen baltischen Staaten (Dorpat, Tallin, Riga, Wilna, Kaunas) sowie zur Gründung von drei "exilrussischen" Korporationen in Prag, Dresden und Danzig. Sie alle bestanden bis 1938 bzw. 1940. Zwei von ihnen, Fraternitas Arctica Riga und Ruthenia Riga (gegr. l929) haben noch heute Altherrenschaften mit dem Sitz in New York.
Alle diese Verbindungen waren schlagend und ihrem Wesen nach den Corps am nächsten. Bei allen waren die Mützen bestickt (Zirkel und/oder verschiedenförmige Ranken, Kreuze oder Sterne). Die Füchse trugen einfarbig schwarze Mützen und darauf links (Dorpat) oder rechts (Riga) einen silbernen Zirkel.
Auch lettische Studentinnen haben sich seinerzeit auf korporativer Grundlage zusammengeschlossen. Sie hatten und haben bis heute ihre eigenen Wapppen, tragen Farbenbänder und folgen den gleichen Idealen von Ehre, Treue, Freundschaft und Liebe zur Heimat wie ihre männlichen Kommilitonen. Für sie alle erscheint auch heute noch die 1930 begründete lettische akademische Zeitschrift "Universitas".
Acht lettische Frauenkorporationen wurden in Riga zwischen 1921 und 1933 gegründet: DAUGAVIETE (1921), GUNDEGA (l923), DZINTRA (1924), IMERIA (1924), SELGA (l927), GAUJMALIETE (1927), VARAVIKSNE (1927) und AURORA (1933). Drei weitere weibliche Korporationen entstanden nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland: SPIDOLA (1947 in Pinneberg), ZINA (1947 in Pinneberg) und STABURADZE (1947 in München). Auch die l932 in Riga begründete russische weibliche Korporation SORORITAS TATIANA gehört dem Präsidien-Konvent der Studentinnen (S! P! K! - Studensu Presidiju Konvents) an. Zu diesen zwölf Verbindungen gehören etwa 300 Damen.
Der Name der ersten Verbindung war "Daugaviete" (nach Lettlands größtem Fluß "Daugava" - deutsch "Düna"). Als Farben wählte man violett-grün-gold. Die Wahlsprüche lauten: Pars pro toto; - Für die Gerechtigkeit, für alles Schöne, für alles Erhabene; - Patientia vincit omnia. Vom Jahr 1940-1953 hatte die Korporation ihren Betrieb eingestellt. 1940, als die Russen Lettland besetzten, wurden alle Verbindungen aufgelöst und der Besitz (Häuser, Mobiliar, etc.) konfisziert. Viele Corpsschwestern wurden nach Sibirien verschleppt und starben fern der Heimat. Viele Mitglieder flüchteten ins Ausland vor allem in die USA, aber auch nach Australien, Schweden, England, Deutschland u. a. Im Herbst 1953 wurde die Knrporation von den USA reaktiviert (Aufnahme von 13 jungen Mädchen). Danach bildeten sich Gruppen (Zirkel) in verschiedenen Städten der USA und in anderen Ländern. Heute bestehen 22 (Zirkel) der Daugaviete (ca. 600 Mitglieder). Im Herbst 1989 wurden nach beinahe 50 Jahren die ersten Mitglieder (17) wieder in Riga aufgenommen.