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4a) Die Weimarer Republik

Deutschlands Universitäten blieben während des Ersten Weltkrieges geöffnet, obwohl etwa zwei Drittel der immatrikulierten Studenten am Kriege teilnahmen. Diese Studenten kamen nach Abschluß des Waffenstillstandes im November 1918 und der darauffolgenden Demobilisierung an die Hochschulen zurück, so daß in den Anfangsjahren der Weimarer Republik ein gewaltiger Studentenberg entstand, da die Zahl der Abiturienten und Studienanfänger ungefähr gleich geblieben war.

In der wirtschaftlichen Krisensituation der beginnenden Weimarer Republik erschwerte sich dabei in zunehmenden Maße der Eintritt in das Berufsleben, was eine Verlängerung der Studiendauer mit sich brachte (sogenanntes Parkstudium; kennzeichnend für jede Wirtschaftskrise).

Erst um die Mitte der zwanziger Jahre konnte die Überfüllung der Hochschulen etwas abgebaut werden, blieb aber weiterhin über dem Vorkriegsniveau. Diese Entspannung währte jedoch nicht lange, denn mit der Wirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre ging eine rapide Verschlechterung der Berufsaussichten einher, was das Studium als Alternative zur Arbeitslosigkeit erscheinen ließ und sich somit die Studierwilligkeit erhöhte, aber auch das Studium verlängerte.

Daneben wirkte der schon vor dem Ersten Weltkrieg einsetzende Ausbau des Oberschulwesens (Realgymnasien, Oberrealschulen) für eine Ausweitung der studienberechtigten Abiturienten. Den Zeitgenossen war eine derartige Überfüllung der Universitäten unbekannt und erschien ihnen deshalb als sehr dramatisch und gefährlich, so daß das Schlagwort von dem "akademischen Proletariat" (arbeitslose Jungakademiker) aufkam (24).

Das Studium in den zwanziger Jahren war darüberhinaus von einer äußerst desolaten wirtschaftlichen und finanziellen Lage gekennzeichnet: es fehlte, vor allem nach dem Ersten Weltkrieg, die häusliche Unterstützung durch die Eltern, weshalb sich viele Studenten ihr Studium durch Büro- und Industriearbeit selbst finanzieren mußten (Werkstudententum), was natürlich das Studium auf das Äußerste behinderte.

Es fehlte aber auch an Wohnraum - das Angebot blieb bei steigenden Studentenzahlen ungefähr gleich mit der Folge, daß die Mieten stiegen - und auch die Ernährungssituation war derart miserabel, daß sich in Teilen der unterernährten Studentenschaft tuberkulöse Erkrankungen ausbreiteten.

Neben die Vermassung der Universität trat die Verelendung der Studenten. Dieses führte zur Einrichtung auch heute noch bestehender sozialer Einrichtungen, wie des Deutschen Studentenwerks, 1929 gegründet, welches mit seinen Wohnheimen ungefähr ein Zehntel und mit seinen Mensen ungefähr ein Drittel aller Studenten erreichte, oder auch der Studienstiftung des deutschen Volkes, die nach 1925 eine kleine Anzahl begabter Kinder aus Arbeiter- und Bauernfamilien förderte. Die Form des Werkstudententums versagte allerdings Ende der zwanziger Jahre, da in dieser Zeit der Arbeitslosigkeit für Studenten keine Stellen offen waren (25).

Diese kurze Charakteristik zeigt, welch eminent wichtige soziale Versorgungsfunktion die Korporationen mit ihren Häusern für die Studenten ausübten und welche Attraktivität die Beziehung zu Alten Herren hatte. Korporationen waren beliebt wie nie zuvor. Sie wuchsen mit den steigenden Studentenzahlen und der Korporationsgrad unter den Studenten stieg über den der Kaiserzeit noch hinaus und erreichte Anfang der dreißiger Jahre seinen Höhepunkt. Es gab immerhin 49 Dachverbände mit mehr als 1300 Korporationen.

Für das Verhältnis der Verbände untereinander kam es Anfang der zwanziger Jahre zu entscheidenden Neuerungen. Hatten sie sich während der Kaiserzeit wegen geringfügiger Nichtigkeiten gegenseitig befehdet, so kam es 1919 zur Gründung des Allgemeinen Deutschen Waffenringes (ADW), der die schlagenden Verbände auf eine gemeinsamen Ehrenordnung festlegte. 1921 wurde das Erlanger Verbände- und Ehrenabkommen verabschiedet, das die Regelung von Satisfaktionsfragen auch mit den nicht-schlagenden Verbänden bestimmte (26).

Vor dem Hintergrund der eklatanten wirtschaftlichen Misere ist zu verstehen, daß große Teile der Studentenschaft, und gerade auch die korporierten Studenten, die ohnehin traditionell und konservativ eingestellt waren, nicht nur 1918-1923 paramilitärisch aktiv gegen kommunistische Aufstände in Thüringen und im Ruhrgebiet vorgingen, sondern auch während der gesamten Zeit der Republik feindlich gegenüberstanden, wie der Streit um die Verfassung der Deutschen Studentenschaft (DSt) zeigt.

Die Deutsche Studentenschaft war die reichsweite Organisation der ASTA's, der Allgemeinen Studentenausschüsse, die am 17./19. Juli 1919 auf einem Vertretertag in Würzburg gegründet wurde. Die ASTA's hatten sich aus den Zusammenschlüssen der nicht-korporierten Studenten während der Kaiserzeit entwickelt, wurden nach dem Kriege allerdings als die alleinige studentische Selbstvertretung an den Universitäten aufgestellt - ein Ausdruck der Revolution - und zeichneten sich durch Zwangsmitgliedschaft, Zwangsbeiträge und durch allgemeines, direktes Wahlrecht aus. Die Deutsche Studentenschaft verzeichnete Erfolge vor allem mit der Wirtschaftshilfe der deutschen Studenten, die sich 1929 als Deutsches Studentenwerk neugründete (s.o.).

Der Streit um die Verfassung der Deutsche Studentenschaft entzündete sich um die Frage seines Geltungsbereiches. Der preußische Kultusminister C. H. Becker vertrat dabei den Standpunkt, daß nur die ASTA's reichsdeutscher Universitaten und Studenten Mitglieder sein konnten, dafür aber alle Gruppen repräsentiert sein sollten. Auf der anderen Seite standen national-konservative Studentengruppen sowie die schlagenden Verbindungen, deren Verbände über die Grenzen des deutschen Reiches hinausgingen und deshalb Mitsprache auch für österreichische, sudetendeutsche und Danziger Verbindungen forderten, andererseits aber jüdische Verbindungen und sozialistische Gruppen ausschließen wollten.

Der Streit, dessen einzelne Stationen hier nicht zu erzählen sind, dauerte bis 1927, als die großdeutsch-nationalistisch antisemitischen Gruppen gegen eine vom preußischen Kultusminister erlassene Satzung Sturm liefen und gegen ihn selbst eine heftige Propaganda entfachten, mit dem Erfolg, daß bei der Abstimmung über die Satzung 77% aller Studentenwähler gegen die Satzung votierten, so daß Becker sich gezwungen sah, die bestehende Deutsche Studentenschaft aufzulösen. Sie blieb fürderhin als Rumpf-Arbeitsgemeinschaft der ASTA's bestehen, allerdings von den Korporationsverbänden finanziert (27). Ferner äußerte sich die Haltung der Studenten in Agitationen (Vorlesungsstreiks) gegen politisch mißliebige Dozenten, so unter anderem den Professor Lessing in Hannover, der Hindenburg als "blutrünstigen Nero" bezeichnet hatte.

In dieser Phase erfolgte die Gründung des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) im Februar 1926. In den ersten zwei Jahren seines Bestehens steuerte er unter der Leitung von W. Tempel einen Konfrontationskurs gegen die seiner Meinung nach arroganten und überheblichen Verbindungen. Nach 1928 änderte sich unter der Leitung von Baldur von Schirach diese Politik zugunsten der Verbindungen, um das dort vorhandene antidemokratische und republikfeindliche Potential anzusprechen. Seiner Konzeption nach ein politischer Studentenbund, führte 1930 der Erlaß einer "Ehrenordnung", die das Ausfechten von Ehrbeleidigungen für NSDStB-Mitgliede zuließ, zu einer äußerlichen Annäherung an die Verbindungen, zumal es an einigen Universitäten einen beachtlichen Anteil von Doppelmitgliedschaften gab, obwohl es auch zum Teil Widerstand gegen die parteipolitische Inanspruchnahme der Verbindungen durch den NSDStB gab. 1932 hatte er die Mehrheit in der Deutschen Studentenschaft erreicht, nachdem er schon an vielen Universitäten den ASTA stellte, und führte mit deren Hilfe am 10. Mai 1933 die berüchtigte Bücherverbrennung durch (28).

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