Berichte zum neuen Stadtbahngutachten Sonntagsjournal vom 22.12.2002 und NZ
Das neue Gutachten der GfVp
schlug sich in zwei Artikeln nieder.
Zum einen in der Nordsee-Zeitung,
genauer gesagt wohl im Teil Bremerhavener Blatt (?) vom 19?.12.2002 und im
Sonntagsjournal vom 22.12.2002.
Zunächst die NZ:
Mit dem Zug direkt vor das Kaufhaus
Verkehrsclub stellt Stadtbahn-Projekt vor
Mit dem Zug aus Cuxhaven, Stubben oder Bremervörde direkt in
die "Bürger" - das ist die Vision des Verkehrsclubs Deutschland
(VCD). Damit es nicht bei der kühnen Idee bleibt, haben die alternativen
Verkehrslobbyisten jetzt ein Gutachten vorgelegt. Ergebnis:
Die Signale für die Stadtbahn stehen auf Grün.
Zurzeit stelle sich der öffentliche Nahverkehr in Bremerhaven
als ,,absolutes Desaster" dar, urteilen die Gutachter von der Gesellschaft
für fahrgastorientierte Verkehrsplanung (Gfvp) aus Nürn
berg: "Ich kenne keine Stadt vergleichbarer Größe, die eine
ähnlich vernichtende Bilanz aufweist wie Bremerhaven", sagt GfVp-Mitinhaber
Wolf Drechsel. Während zum Beispiel in Würzburg heute fast 50 Prozent mehr
Menschen mit Bus oder Bahn fahren als vor 25 Jahren, habe sich die Zahl in
Bremerhaven halbiert.
Um wieder mehr Fahrgäste anzulocken, setzen die GfVp-Planer
auf das "Karlsruher Modell": In der Residenzstadt am Rhein
fahren seit zehn Jahren Stadtbahnzüge, die sowohl das Schienennetz
der Deutschen Bahn als auch die Gleise der Straßenbahn benutzen
können. Der Vorteil: Ohne umzusteigen, fahren die Bewohner der
Vororte zum Einkaufen direkt in die Innenstadt. Auf den alten
Bahntrassen befördert die Stadtbahn heute bis zu sieben Mal
mehr Passagiere als vor Einführung der Mehrzweckzüge.
Ahnliches schwebt den Verkehrsplanern jetzt auch für Bremerhaven und
das Cuxland vor.
Vorerst solle die Stadtbahn im 30-Minuten-Takt auf zwei Linien
pendeln: Cuxhaven-Bremerhaven-Bremervörde und Langen-Bremerhaven-Stubben.
Halten sollen die Züge nicht nur am Hauptbahnhof, sondern auch
mitten in der Stadt - vorzugsweise in der "Bürger", notfalls auch in der
Columbusstraße, falls die Stadt das frisch verlegte Pflaster nicht
gleich wieder aufreißen möchte.
Vier Kilometer Straßenbahngleise müssten neu gebaut werden.
Um die klammen Kämmerer der beteiligten Kreise und Kommunen
nicht zu verschrecken, haben die GfvP-Planer ihre Stadtbahn so
billig wie möglich gerechnet. Die Baukosten schätzen sie auf 47
Millionen Euro, von denen der Bund 80 Prozent übernehmen
könnte. Dazu kommen die Züge mit weiteren 62 Millionen Euro,
die sich das Land und der künftige Betreiber teilen müssten. Das
jährliche Betriebsdefizit soll schon nach wenigen Jahren nicht höher
sein als bei den heutigen Regionalbahnen - dank einer Vervierfachung
der Fahrgastzahlen. cb
Bildunterschrift zu einer modernen Tram:
Halb Zug, halb Straßenbahn: Dieser Schienenwagen rollt bald in
Kassel bis vors Kaufhaus.
Flotte Stadtahn kann Region Bremerhaven zum Blühen bringen
VCD-Gutachten überzeugt mit positiven Beispielen -
Fahrgastzahlen in Seestadt derzeit katastrophal
Bremerhaven (zol). Mit Hilfe eines modernen Stadtbahnsystems soll die
Bremerhavener Innenstadt besser mit der Region verknüpft werden.
Diesen Vorsohlagunterbreitet der Verkehrsclub Deutschland (VCD) auf der
Basis eines neuen Gutachtens. Die vorgeschlagenen Linien reichen von Cuxhaven
im Norden bis Stubben im Süden der Seestadt und schließen das Stadtzentrum
sowie Lehe und Geestemünde ein.
Was die Brüder Jens und Axel Volkmann vom Bremerhavener Kreisverband des
VCD gemeinsam mit dem VCD-Kreisverband Cuxhaven auf den Tisch legen, zielt
in der regionalen Verkehrsplanung auf einen möglichst einfachen Schritt in die
richtige Richtung. Das Konzept nimmt die positiven Erfahrungen in anderen
Regionen Deutschlands auf und setzt darauf, das vorhandene Schienennetz optimal
zu nutzen und durch den Neubau weniger Kilometer weiterer Gleise den
Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erheblich attraktiver zu machen.
Vorbild Würzburg
Nach Angabe des Gutachters Wolf Drechsel von der
Gesellschaft für fahrgastorientierte Verkehrsplanung
(GfVp) in Nürnberg ist die Ausgangslage für den ÖPNV
in Bremerhaven enorm schlecht: "In wohl nur wenigen Städten
ist die Entwicklung der Fahrgastzahlen im
ÖPNV so katastrophal verlaufen wie in Bremerhaven",
erläutert Drechsel und verweist auf den "erschreckenden Rückgang der
Nachfrage". Seit 1974 sank hier die Zahl der Fahrgäste pro Jahr
von 25 Millionen auf etwa 12 Millionen, ein Minus von satten 53 Prozent.
Zum Vergleich nennt Drechsel die Stadt Würzburg. Dort habe
man zwar auf ähnliche Weise in den Autoverkehr investiert, aber gleichzeitig
die ÖPNV-Fahrgastzahlen um 42 Prozent gesteigert.
Ausweg aus der Misere
Einen Ausweg aus der Bremerhavener ÖPNV-Misere
sieht der Gutachter in einem regionalen Verkehrsnetz, das
auf eine sinnvolle Kombination von Schiene und Straße
setzt. Dazu müsste das vorhandene Eisenbahnnetz effektiver genutzt
und mit einer kurzen Schleife direkt mit der Bremerhavener Innenstadt
verbunden werden. Das funktioniert bekanntlich ohne Probleme mit dem
sogenannten "Karlsruher Modell", in dem Straßenbahn- und Eisenbahngleise
von denselben
Stadtbahnzügen befahren werden (mit Hilfe der "Zweisystemtechnik"),
so dass die Menschen ohne umzusteigen
aus der Region ins Stadtzentrum gelangen.
Bildunterschrift:
Ein Stadtbahn würde Bremerhaven und der Region neue
Lebens- und Mobilitätsqualität bringen. Die Menschen aus
dem Umland wären erheblich schneller in der Stadt.
Verdreifachung
Für Bremerhaven schlägt Drechsel in einem ersten Schritt den Neubau
einer Stadtbahnstrecke vor. Sie sollte vom Hauptbahnhof
über die Kennedybrücke durch die City führen (am
besten durch die Fußgängerzone, möglicherweise aber
auch parallel dazu durch die Columbusstraße) und dann
weiter durch die Lloydstraße und die Hafenstraße bis zur
Melchior-Schwoon-Straße in Lehe. Dort wird die Strecke
südlich der Stadtiialle über die noch vorhandene Trasse
vom früheren SUAG-Werftgelände wieder zur Bahnlinie
zurück geführt. "Man muss relativ wenig tun und erzielt
trotzdem eine enorme Wirkung", sagt Drechsel über
dieses Stadtbahnkonzept. Durch die erheblichen Verbesserungen
des Angebots für die Fahrgäste mit einem Halbstundentakt an den Strecken
nach Cuxhaven und Stubben sowie im Stundentakt in
Richtung Bremervörde rechnet der Gutachter innerhalb
von zwei Jahren fast mit einer Verdreifachung der Fahrgastzahlen - von
heute 5.700 auf etwa 16.000 pro Werktag.
Von Langen flott in die City
Für die Stadt Langen, deren Einwohner bisher zum allergrößten Teil mit dem Auto
in die Stadt fahren, rechnet der Gutachter mit deutlichen
Verbesserungep durch einen optimierten OPNV. Wenn
zwischen dem Parkbahnhof Speckenbüttel und Langen
eine etwa 1,5 Kilometer lange Straßenbahnstrecke gebaut
würde, dann könnten die Langener künttig nach etwa
18 Minuten Fahrzeit ohne Umsteigen in die Bremerhavener City gelangen.
Die Busse könnten dann bei der "Feinerschließung" Langens
ihre Vorteile als Zubringer ausspielen.
Als Gesamtsumme für diese neue Infrastruktur des
Öffentlichen Personennahverkehrs in der Region um Bremerhaven nennt Drechsel
51,5 Millionen Euro. Davon könnten nach seinen Angaben 37,5 Millionen Euro über
das Gemeinde-Verkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) aufgebracht werden, so dass
die Gebietskörperschaften noch 14 Millionen Euro zu finanzieren hätten.
Die Beschaffung der notwendigen 24 Fahrzeugeinheiten kostet laut Drechsler
weitere 62 Millionen Euro, die beispielsweise jeweils zur
Hälfte über das GVFG und den laufenden Betrieb zu finanzieren wären.
"All dieses Geld wäre hier in der Region sehr gut angelegt", erläutert der
Gutachter und verweist zum Vergleich beispielsweise auf die Kosten
von 50 bis 70 Millionen Euro für einen einzigen Kilometer
U-Bahn-Strecke, der bei weitem keinen solch hohen Nutzen bringen könne.
Auch die absehbaren öffentlichen Zuschüsse zu den
Betriebskosten einer solchen Stadtbahn reduzieren sich
laut Drechsel innerhalb weniger Jahre auf das aktuelle Niveau.
Stadt und Land verzögern
Die beiden Bremerhavener VCD-Sprecher Jens und Axel
Volkmann wundern sich vor diesem Hintergrund über die
Zögerlichkeit der Bremerhavener Kommunalpolitik.
Bereits vor genau einem Jahr habe die Stadtverordnetenversammlung
beschlossen, gemeinsam mit dem Landkreis Cuxhaven eine Machbarkeitsuntersuchung
zum Thema Regionalbahn in Auftrag zu geben. "Das ist bis
heute nicht geschehen", sagt Axel Volkmann.
Da man beim VCD mit einer solchen "Verschleppung
des Themas" gerechnet habe, sei seinerzeit das jetzt vorgelegte Gutachten
auf eigene Kosten in Auftrag gegeben worden. Die Vertreter des
VCD warten jetzt gespannt auf Reaktionen der Politiker
in Stadt und Land, zumal das Thema wegen des breiten Bekenntnisses
zur besseren Einbindung Bremerhavens in die Region ohnehin ganz oben
auf der Tagesordnung steht.
Und der Kommantar des SJ auf derselben Seite:
Meinung
Vom Teufel geritten
Vermutlich hatte die Mannen um Oberbürgermeister Lenz und die Führung
von BVV und VGB der Teufel geritten, als sie 1981 entschieden, die Straßenbahn
abzuschaffen. Eine Fehlentscheidung mit, wie wir heute sehen, dramatischen
Auswirkungen auf die Lebensqualität in Bremerhaven. Wie die Beispiele aus
anderen Regionen zeigen, kann eine schnelle Stadtbahn eine Region zum Blühen
bringen. In Würzburg haben sich die Fahrgastzahlen verdoppelt. In Bremerhaven
seit 1975 halbiert. Diese Fakten sprechen eine brutale Sprache gegen die
Bus-Juckelei durch die Seestadt, gegen den im faulen politischen Kompromiss
ausgehandelten Zickzackkurs der Busse durch die City (wohl die schlimmste
und folgenreichste Fehlentscheidung der Großen Koalition).
Man stelle sich vor, die kommenden Attraktionen am Alten und Neuen Hafen
wären per Stadtbahn an die Region angebunden. Das wäre schon die
halbe Erfolgsgarantie. Doch die Seestadt-Politik hat es nicht so gewollt,
muss nun weiterwursteln wie bisher. Aber bald ist ja Stadtverordnetenwahl.....
Werner Schwarz
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