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Aus für den Interregio?

Die DB plant, zum nächsten Fahrplanwechsel im Juni 2001 eine Reihe von InterRegio-Verbindungen (IR) stillzulegen. In Baden-Württemberg betrifft dies die Strecke Karlsruhe - Villingen - Konstanz, auf der bis auf zwei Zugpaare in Tagesrandlage alle IR wegfallen, die Strecke Ulm- Friedrichshafen, die sämtliche IR verliert, sowie zwei Zugpaare Stuttgart - Nürnberg über Backnang. Dies ist erst der Anfang, denn die DB hat angekündigt, bis 2003 das IR-System vollständig einzustellen.

Was bewegt die DB zu diesem Streichkonzert? Der wahre Grund dürfte weniger ein verkehrstechnischer als vielmehr ein finanztechnischer sein: Die Interregios zählen nämlich zum Bereich "Fernverkehr", den die DB auf eigene Rechnung betreibt. Die als Ersatz vorgesehenen RegionalExpress-Züge (RE) gehören dagegen zum Bereich "Regionalverkehr", der von den Bundesländern in Auftrag gegeben und mit 12 - 18 DM / km bezuschusst wird. Die DB hat also die naheliegende Absicht, Geld zu sparen. Wer dieses Verhalten kritisiert, muss bedenken, daß die DB keine Behörde mehr ist, sondern ein zum wirtschaftlichen Handeln verpflichtetes Unternehmen. Wenn man ein anderes Verhalten der DB wünscht, müsste man also zuerst die finanziellen Rahmenbedingungen verändern.

Neben finanzpolitischen Gründen gibt es allerdings auch sachliche Gründe, aufgrund derer man den Fortbestand des IR in Frage stellen kann. Zur Zeit gibt es nämlich für den überregionalen Verkehr 4 verschiedene Kategorien von Zügen mit jeweils unterschiedlichen Tarifen: ICE mit "Relationspreisen", IC mit Streckenpreisen plus Zuschlag, IR mit Streckenpreisen ohne Zuschlag, in denen Fahrkarten von Verkehrsverbünden nicht gelten, und RE, in denen Fahrkarten von Verkehrsverbünden gelten. Dass diese Vielfalt besonders übersichtlich und kundenfreundlich ist, kann man nicht gerade behaupten. Im Rahmen dieses Gemischtwarenladens hat der IR je nach Strecke heute ganz unterschiedliche Funktionen:

(a) Auf einigen Strecken ist der IR der einzige überregionale Zug und hat hauptsächlich den Charakter eines Fernverkehrszuges. Dies gilt beispielsweise für die Strecke Stuttgart - Nürnberg. Hier reicht es keinesfalls aus, den IR durch einen RE zu ersetzen, sondern es muss weiterhin ein Fernverkehrsangebot geben, z.B. in Form einer IC- oder ICE-Linie.

(b) Auf manchen Strecken verkehrt der IR mit ungefähr gleichen Fahrzeiten parallel zu IC und ICE, beispielsweise auf der Rheintalstrecke Mainz - Köln. Wenn man von den wenigen zusätzlichen Halten einmal absieht, die auch durch RE gut bedient werden können, bezieht der IR hier seine Rechtfertigung hauptsächlich daraus, dass man als Fahrgast den IC-Zuschlag sparen kann. Dieses "hausgemachte" Argument sollte aber bei der längst überfälligen Bereinigung des Tarifsystems wegfallen.

(c) Auf mehreren Strecken, die mangels Fernverkehrsbedeutung keinen IC- / ICE-Verkehr haben, verkehren IR im stündlichen Wechsel mit RE, bei nahezu gleichen Fahrzeiten und Haltepunkten: Ein Beispiel hierfür ist die Strecke Ulm - Friedrichshafen. Es ist offensichtlich, dass IR und RE auf solchen Strecken den gleichen Charakter haben, eine Vereinheitlichung würde sich also anbieten. Bei einem Ersatz der IR durch RE ergäbe sich sogar der Vorteil, dass Verbundfahrkarten in jedem Zug gelten, und nicht wie bisher nur in jedem zweiten. Bezüglich des Fahrkomforts kann der Ersatz der IR durch RE ein Gewinn oder ein Verlust sein, je nachdem ob beispielsweise klimatisierte und laufruhige Doppelstockwagen oder abgewirtschaftete Altbauwagen zum Einsatz kommen. Letzteres wäre natürlich unerwünscht.

Man kann also auch bei einem Verzicht auf den Interregio als eigene Zugkategorie durchaus ein attraktives Verkehrsangebot machen, insbesondere, wenn zugleich auch das Tarifsystem bereinigt wird. So ähnlich sieht man es offenbar auch bei der DB. Deren Chef Mehdorn hat, beispielsweise im Oktober 2000 in einem Interview für die FR, seine Vorstellungen vom zukünftigen Bahnverkehr klar bekanntgegeben: Er möchte im überregionalen Verkehr nur noch 2 Zugkategorien haben: ICE und RE. Entsprechend soll es auch nur noch 2 Tarife für diese beiden Zugkategorien geben. Der IR und interessanterweise auch der IC kommen in diesem Konzept nicht mehr vor.

Welche Position soll man nun beziehen? Auf diese Frage gibt es beim Bundes- bzw. Landesverband des VCD und der Grünen, die sonst in verkehrspolitischen Fragen weitgehend einig sind, etwas unterschiedliche Antworten: Die Grünen können sich mit der Zusammenfassung des überregionalen Verkehrsangebots auf nur noch zwei Zugkategorien durchaus anfreunden und schlagen vor, die IR und RE zu der neuen Kategorie "IRE" (InterRegioExpress) zusammenzufassen. Der VCD möchte dagegen den IR als eigene Zugkategorie beibehalten, gegebenenfalls mit Hilfe von privaten Verkehrsanbietern. Laut Felix Berschin vom Heidelberger Planungsbüro URS, der zugleich VCD-Landesvorsitzender ist, gibt es auf dem europäischen Verkehrsmarkt durchaus Interessenten, die den IR besser und billiger betreiben könnten als heute die DB. Eine Konkurrenz verschiedener Betreiber von Fernverkehrszügen belebt sicherlich das Geschäft und könnte zu einem besseren Angebot führen. Es besteht aber auch die Gefahr, dass eine Bereinigung des Tarifsystems scheitert, wenn aus Gründen der Sparsamkeit jeder Betreiber seine eigenen Fahrkarten ausgibt. Der VCD muss also darauf achten, dass bei der Umgestaltung des Bahnverkehrs nicht nur ans Geld gedacht wird und "König Kunde" nicht unter die Räder gerät.

Wolfgang Melchert


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