Aber noch einiges mehr ist daran befremdlich: Zum einen hat man erstmals die Eckwerte der Umfrage vorab veröffentlicht ohne die Feinauswertung abzuwarten. Dies weist nicht nur auf ein Timing mit politischen Absichten hin, sondern, noch viel schwerwiegender, entzieht diese Zahlen, mit denen aber bereits politisch in einem für Karlsruhes Zukunft sehr wichtigen Prozess gearbeitet wird, einer kritischen Kontrolle, die solange nicht möglich ist, wie der Abschlussbericht nicht vorliegt.
So werden die Zahlen von 2001 abwechselnd mit 1996 oder 1999 verglichen, je nachdem, wie es besser zur politisch gewünschten Aussage passt. So entstehen Trends, wo aber nur die alten Werte wieder erreicht wurden, oder die Trends erscheinen stärker als sie wirklich sind oder es werden Trends angegeben, die schon längst gestoppt sind, eher schon leicht rückläufig, wie bei der Bewertung der Innenstadt insgesamt, oder die sich, im Falle der öffentlichen Sicherheit, schon wieder deutlich umgekehrt haben. Hier wird eine Abnahme der Sicherheit als Zunahme verkauft!
Ob Karlsruhes City den Vorstellungen entspricht, stellt sich z.B. korrekt in folgender Zahlenreihe dar: 1992: 51%, 1996: 52%, 1999: 32%, 2001: 43%. Verglichen wurde zunächst 1992 mit 2001. Diese 8% Abwärtsbewegung wurden als klarer Trend bezeichnet, während die 11% Aufwärtsbewegung von 1999 auf 2001 nur mit dem Wort "leicht" demgegenüber kleingeredet wurden. Weder sind 11% "leicht", auch gegenüber den 8%, noch ergeben diese 4 Zahlen einen verlässlichen Trend in irgendeine Richtung. Der 20%-ige Abschwung von 1996 auf 1999 ist in der Tat eine deutliche Warnung, die es zu analysieren und beachten gilt und die man keinesfalls als schon überwunden betrachten darf. Dazu bedarf es aber keiner solchen Wortspiele, sie schaden eher der Sache.
Bei der Ausgestaltung der Fußgängerzone wurde auf die Angabe konkreter Zahlen verzichtet, aber beim Vergleich mit den Zahlen aus 1999 kommen Zweifel an der Korrektheit der Aussage auf, da hier ein Wert, der 1999 eher als Viertel bezeichnet werden muss, eine leicht sinkende(!) Tendenz auf einen Wert um ein Drittel herum haben soll.
Bei der Bewertung des Marktplatzes verzichtet man dagegen auf Vergleiche und stellt nur den hohen Wert der Zustimmung heraus. Diese sank aber, falls die neuen Werte stimmen.
Befremdlich ist es auch, freie Nennungen von "störende Straßenbahnen" bis "Enge und Hektik", deren Zusammengehörigkeit zweifelhaft ist, zu einem einzigen Problemfeld von 70% zusammen zu fassen, das den geneigten Leser vermutlich zur Lösung Tunnel führen soll. Schon 1999 wurde bei dieser Frage zusammengefasst, aber nirgends sonst in der ganzen Umfrage! Diese Zusammenfassung wurde sogar mindestens noch um einen Punkt erweitert, der letztes Mal nicht dazu gehörte, nämlich die Enge und Hektik.
Die Umfragewerte von 57% bzw. 55%, die für einen Tunnel sprechen, sind ohne Zweifel ein alarmierender Wert, da gilt es nichts zu beschönigen. Angesichts der sehr einseitigen Fragestellung ist deren Nutzbarkeit für eine Prognose des Bürgerentscheids aber sehr zweifelhaft.
Vollkommen unangemessen ist aber die Art des Umgangs mit den Zahlenwerten, die beim Vergleich zu den Vorjahren offenkundig mehrmals so zurecht gebogen wurden, wie es am besten zur gewünschten, aber nicht eingetretenen politischen Zielsetzung passte. Davon verschont blieben fast nur Zahlen, die bisher nur in einem Jahr erhoben wurden oder die sich wie bei der Versorgung so konstant über die Jahre ändern, dass man sie nicht uminterpretieren konnte.
Es ist dringend geboten, dass man in Anbetracht des sehr wichtigen laufenden Bürgerbeteiligungsverfahrens bald wieder zu einer sachlich korrekten Diskussion zurückfindet.
Solche rein politisch motivierten Spielereien mit Statistiken, die zudem auch noch sehr schlecht gemacht sind, weil sie bei einem Blick in den Ergebnisbericht der Umfrage von 1999 sofort auffallen, belasten nur unnötig das politische Klima allgemein und speziell im Umfeld der Bürgerbeteiligung. Die Auswertung und Interpretation der Bürgerumfrage sollte man alleine den Fachleuten überlassen, die dies 1999/2000 sehr gut umsetzten, damit die Ergebnisse brauchbar bleiben für die Arbeit der Stadt. Politiker sollten ihnen dabei nicht dreinreden.
Gegenüberstellung von Pressepapier und realen Trends Blatt 1 als PDF bzw. GIF
Gegenüberstellung von Pressepapier und realen Trends Blatt 2 als PDF bzw. GIF
Amt für Stadtentwicklung und Informationsmanagement, dort unter "Stadtforschung, Umfragen" die Original Bürgerumfrage 1999.
Das original-DOC der städt. Pressemitteilung von 2002 finde ich auf dem Server leider nicht mehr...
Eine Bekannte sagte kurz nach dem BNN-Artikel vom 17.4. "getroffene Hunde bellen immer". Man müsste mindestens in diesem Fall die bekannte Spruchweisheit ergänzen um "... stets in die andere Richtung, um abzulenken."
Denn Herr EB Siegfried König lässt sich in seiner Antwort auf meine Vorwürfe sehr ausführlich über die Methodik der Bürgerumfrage aus und betont deren Repräsentativität und Wichtigkeit. Dies wurde in unserer Pressemitteilung auch mit keiner Silbe bezweifelt, eher im Gegenteil, und auch die naturgemäß komprimierte Darstellung in den BNN vom 13.4. gibt diesen Angriffspunkt eigentlich nicht her.
In der Bewertung der Sachlichkeit der eigentlichen Umfrage besteht mit Herrn König keinerlei Dissens (bis auf die kleine Ausnahme der Formulierung der einen Kernfrage, worüber aber schon in der Presse (ka-news) zu lesen war, dass Herr König sie heute womöglich etwas anders stellen würde), sonst würde ich ja auch nicht dazu aufrufen, die weitere Auswertung und Interpretation den Fachleuten zu überlassen und deren Arbeit 1999 als sehr gut bezeichnen. Die Steigerung der Zahl befragter Bürger um rund 1000 auf 2400 ist übrigens ein sehr positiver Schritt.
Kritisiert habe ich vorrangig das Timing und die Interpretation der Ergebnisse, die eben nach meiner Meinung nicht durch die Fachleute entstanden sein kann, weil meiner Meinung nach kein seriöser Statistiker so arbeiten würde, sondern durch die politischen Entscheidungsträger beeinflusst wurde. Auf diese Kritik geht Herrn Königs Antwort aber praktisch nicht ein. Zumindestens wird keines meiner konkreten Beispiele widerlegt, es wird nur pauschal geantwortet, ich hätte "die sachliche Ebene verlassen" und mich "zu teilweise unhaltbaren, polemischen Äußerungen hinreißen lassen." Wer hier die sachliche Ebene verlassen hat, habe ich mit den korrekten Zahlenreihen bereits dargelegt.
Ich möchte das exemplarisch an der Zahlenreihe wiederholen, bei der die politische Umdeutung von Zahlen am auffälligsten war: Die Bewertung der öffentlichen Sicherheit auf den Straßen und Plätzen der City wurde 1996 zu 40 % mit sehr gut oder gut bewertet, 1999 zu 56 % und 2001 laut dem städtischen Pressepapier zu 52 %. Dies ist eindeutig ein Rückgang von 1999 auf 2001! Verglichen wurde aber (im Gegensatz zu diversen anderen Zahlenreihen und eben nicht systematisch im ganzen Papier!) mit dem Jahr 1996! Und so und nur so kommt eine Verbesserung der Bewertung zustande und genau dies und nur dies passt zum Wunschbild von Politikern, denen die öffentliche Sicherheit am Herzen liegt, das bezweifle ich überhaupt nicht, und die deswegen zu Recht die Verbesserung dieser Sicherheit dem Bürger versprechen. Ein Rückgang passt nicht zu diesem Wunschbild, wobei die 4 % meines Erachtens noch nicht mal so dramatisch sind, dass man gleich in Panik verfallen und sie verschweigen müsste. Die Darstellung als Steigerung des Wertes verhindert nämlich auch, dass man sich in breiter Öffentlichkeit Gedanken darum macht, ob da vielleicht doch was nicht so läuft, wie es sein sollte und warum.
Genau in diesem Stil läuft die Interpretation fast aller Zahlen, bei denen man alternativ mit 1996 und 1999 vergleichen konnte (nicht alles wurde in beiden Jahren erhoben und bei der Versorgung gab es an den Trends nichts umzudeuten), wenn auch nicht immer so auffällig daneben gegriffen wie bei der Sicherheit, aber stets tendenziös. Und es ist sachlich überhaupt nicht rechtfertigbar so zu verfahren.
Dabei ist es natürlich durchaus zulässig, mehrere Jahre zu vergleichen, um besser Änderungen herauszuarbeiten und Tendenzen zu beurteilen. Allerdings ist dann umso mehr Offenheit nötig, d.h. alle Zahlenreihen hätten dann komplett im Pressepapier nachvollziehbar sein müssen, notfalls als Fußnote oder Anhang, damit man diese Interpretation überprüfen kann. Einfach die Vergleichsjahre willkürlich wechseln und die anderen Zahlenwerte nicht zu erwähnen, wie hier geschehen, ist absolut keine seriöse Vorgehensweise!
Im obigen Falle hätte es korrekt so lauten können: Man hat zwar einen leichten Rückgang zur letzten Umfrage zu verzeichnen, aber der heutige Wert liegt immer noch deutlich über dem Niveau von 1996 und wir nehmen diese Ergebnisse als prinzipielle Bestätigung des Erfolges unserer Maßnahmen aber auch als Signal, dass wir diesen Weg fortsetzen müssen und uns nicht auf dem alten Erfolg ausruhen dürfen. Sowas wäre eine ehrliche, nachvollziehbare und durchaus zulässig positiv klingende Interpretation dieser Zahlenreihe. Bei einer einzigen Zahlenreihe (ob die City den Vorstellungen entspricht) werden sogar korrekt alle Zahlen offengelegt, aber mit einer Wortwahl, die die Größe der Tendenzen anders wiedergibt als sie es sind und somit leider auch nicht korrekt.
Im Brief von Herrn König an mich wird erwähnt, "die Aussagen der ... Grundauswertung werden sich durch die Feinauswertung nicht mehr verändern". Mit "Zahlen" statt "Aussagen" gehe ich davon sogar aus. Dieser Satz soll sich gegen meinen Einwand richten, das der Bericht noch nicht vorliegt und somit die Zahlen noch nicht kritisch überprüfbar sind. Läge der Bericht vor, stünden die Zahlen der verschiedenen Jahre für jeden überprüfbar nebeneinander, solche schief interpretierten Aussagen wie jetzt würden spätestens beim Blick in die Tabellen des Anhangs jedem sofort auffallen. Man könnte auch die Fragestellung exakt nachlesen und die genauen Zusammenfassungen bei den Kritikpunkten an der City. Und man könnte anhand der Feinauswertung auch analysieren, welche Bevölkerungsgruppen welche Fragen wie beantwortet haben, das wäre für die sachliche Analyse der Probleme und deren Ursachen und die politische Wertung der Ergebnisse durchaus von Interesse. Dass die Feinauswertung noch nicht erfolgte, kann aber durchaus noch von Vorteil sein, weil man vielleicht noch zusätzliche Vergleiche anregen kann.
Mein Vorschlag wäre mit etwas Recherchearbeit verbunden: Es dürfte in Karlsruhe und Umgebung genügend Fachleute geben, die sich in der Thematik der Interpretation von Statistiken auskennen und unabhängig sowohl von der Stadt als auch vom VCD sind, z.B. in Uni oder FH, da die Auswertung von Statistiken zu manchem Fachgebiet dazu gehört. Diese könnten dann die Korrektheit der Zahlen prüfen und dann bewerten, welche Interpretationen im Pressepapier sachlich korrekt und welche zumindestens zweifelhaft sind.
In der Online-Version meiner ersten Pressemitteilung http://city2015.cousin.de/pm2.html ist am Ende (Anmerkung: hier an dieser Stelle logischerweise über diesem Text...) ein Link zum Server des Amtes für Stadtentwicklung, wo mit wenigen Klicks der Bericht zur Bürgerumfrage 1999 als PDF-Dokument zu finden ist, falls er Ihnen nicht als Papierausgabe vorliegt. Dort sind die Zahlen bis 1999 enthalten, die mit dem Pressepapier und meinen Graphiken verglichen werden können. Die meisten Vergleiche (Bewertungen der Innenstadt) sind in der Tabelle A6.04 auf Seite 184 zu finden. Ob die City den Vorstellungen entspricht, findet man in A6.02 S. 181, die Frage nach dem Marktplatz in A6.11 S. 198, die im Text angesprochenen Zusammenfassungen schon der alten Umfrage findet man in A6.03 S. 182), alles im ersten Berichtsband.
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