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Türke Corps-Chef:
 
 
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TÜRKE IST CORPS-CHEF

BNN 28.6.1993

Posting in dssv:

Unter diesem Titel stand der nachfolgende Artikel in der BNN. Ich bin zwar kein Corpsstudent, sondern Landsmannschafter, aber da Otto-Normal-Verbraucher eh C!, L!, Burschenschaften etc. (leider) in einen Topf wirft und ich nicht weiß, ob es Karlsruher Corpsstudenten hier im Netz gibt, poste ich ihn mal. Hoffend, daß das Gebäude von Vorurteilen über Studentenverbindungen bei einigen Leuten dadurch etwas abbröckelt...
BNN (Badische Neueste Nachrichten Karlsruhe) Nr. 145, Mo. 28.Juni.1993 S.4:
Leute im Land
(unter Südwestecho)

TÜRKE IST CORPS-CHEF

(Anm.: "Senior", "Erstchargierter", "Sprecher" etc. heißt das eigentlich, aber, nun ja, für Laien... )

Karlsruhe. Auf den ersten Blick scheint für Außenstehende vieles verwirrend: Etwa, daß mit "Vorort" kein Dorf unweit der Stadt, sondern ein Vorstands- gremium gemeint ist. Auch, daß sogenannte Mensuren gefochten werden, ist für manchen ein Buch mit sieben Siegeln. Doch daß die drei Buchstaben "KSC" nichts mit dem Uefa-Cup zu tun haben, (Anm.: für Nicht-Karlsruher Nicht-Fussballfans: KSC i.a.: K'her Sportclub) sondern die Abkürzung für den "Karlsruher Senioren Convent" sind, macht die Verwirrung erst perfekt. Und daß ein eben mal 23 Jahre alter Student den Vorsitz dieses "Senioren Conventes" innehat, verwundert dann schon fast nicht mehr. (Anm.: Stimmt, ist ja schließlich das Durchschnittsalter eines Studis :-)

Aydin Karaduman heißt er, im achten Semester studiert er Wirtschafts- ingenieurwesen an der Fridericiana (Anm.: = Uni K'he) und seit seinem Studienbeginn ist der türkische Staatsangehörige Mitglied des studentischen Corps "Friso-Cheruskia". Zusammen mit drei weiteren Corps aus der Fächerstadt bildet die studentische Verbindung mit dem blauen Wappen den "Karlsruher Senioren Convent". Jener wiederum ist Bestandteil des Weinheimer Senioren Convents, in dem 65 Einzelcorps mit rund 9000 studentischen Mitgliedern organisiert sind. Turnusgemäß wird der "KSC" in diesem Semester "Vorort". Und Aydin Karaduman steht dann an der Spitze des gesamten Weinheimer Senioren Convents. (Anm.: Im WSC sind die Corps an den techn. Universitäten organisiert, im KSCV="Kösener Senioren Conventsverband" die Corps an den traditionellen "richtigen" Unis. Andere Verbände haben nicht diese Trennung)

"Daß ich diese Amt bekleide, hat nichts damit zu tun, daß ich Türke bin", sagt Aydin Karaduman. Deutlich vor den Ereignissen von Mölln und Solingen sei er nämlich nominiert worden. Vielmehr habe die Mitgliedschaft ausländischer Kommilitonen bei den Corps eine lange Tradition. Brasilianer, Franzosen und Perser nehmen gegenwärtig am Corpsleben der Friso-Cheruskia teil, einen "Alibi-Türken" habe man schon deswegen nicht nötig, so der seit kurzem mit einer Türkin verheiratete Karaduman. In Bremerhaven kam er 1970 zur Welt (Anm.: Moin, moin! Der Mann ist mir sympathisch, noch ein Fischkopf aus Fishtown, damit sind schon mind. drei Bremerhavener in K'he korporiert :-) und steht damit stellvertretend für viele junge Landsleute der zweiten und dritten Generation: Offiziell sind sie türkische Staatsbürger --- Kultur und Geschichte des Landes jedoch sind ihnen vielfach fremd.

Nicht so im Falle von Aydin Karaduman. Als Sohn eines moslemischen Geist- lichen, der bereits Imam war, kennt er Gesetze, Sitten und Vorstellungen der Türkei. "Und diese Kenntnis versuche ich bei Veranstalltungen mit Corpsbrüdern und Kommilitonen

(Anm.: an dieser Stelle ist ein Bild von ihm) KUENFTIGER CHEF von 65 Einzelcorps mit rund 9000 Studenten ist der Karlsruher Aydin Karaduman. Foto: artis

zu nutzen", so der Convents-Vorsitzende. Gespräche und gesellschaftliches Engagement sind dem jungen Türken wichtig, "denn nur damit kann man die momentan vielfach herrschende Enge überwinden", glaubt er. Als Deutscher mit einem türkischen Paß sieht er sich dabei jedoch noch nicht: "wenn ich die Wahl hätte zwischen der deutschen und der türkischen Staats- angehörigkeit, würde ich natürlich die türkische wählen", sagt er ohne zu zögern.

Informationsdefizite auszugleichen und Zivilcourage zu fördern, ist dem 23jährigen wichtig, auf den in der Türkei noch der Wehrdienst wartet. Engagement über das Tagesgeschehen hinaus, das ist für den angehenden Wirtschaftswissenschaftler nichts Ungewöhnliches. "In meiner Schulzeit war ich Schülersprecher", berichtet er. Zwei Jahre nach dem Abitur schließlich sorgte er als Schriftwart beim Corps Friso-Cheruskia für die Buchführung, ein halbes Jahr darauf war er zum "Senior" seiner schlagenden Verbindung avanciert.

Gegenseitige Achtung und Toleranz sind für den Corpsstudenten entscheidend, seine Verbindung sei darin durchaus schon deutlich weiter als die Gesellschaft: "Forderungen wie Gleichberechtigung und das kommunale Wahlrecht haben wir innerhalb unseres Corps schon längst verwirklicht." Der Programmatik der Corps im Gegensatz zu Burschenschaften oder den Verbin- dungen des Coburger Conventes entspricht Aydin Karaduman in besonderer Weise. "Wertfrei und umfassend" sollen die Mitglieder gemäß den Statuten informiert werden, um die Willensbildung zu fördern. Eine bestimmte politische Ausrichtung gibt es nicht. (Anm.: Bzgl. Burschenschaften bin ich der selben Meinung, diese haben in ihrer Satzung einen politischen Auftrag, der in der Praxis mehr oder weniger weit rechts zu finden ist. Und der leider das Bild von Verbindungen allgemein in der Öffentlichkeit prägt... :-( Mein Coburger Convent der Landsmannschaften und Turnerschaften hat aber nichts im gleichen Topf mit diesen Burschenschaften zu suchen. Auch wir sind politisch neutral wie die Corps! ) Da kann es für die Kommilitonen etwa hilfreich sein, zu wissen, daß ihr türkischer Corpsbruder und Vorsitzender eine doppelte Staatsbürgerschaft für lange Jahre in de Bundesrepublik lebende Landsleute begrüßen würde. Und daß die "Aktivitas" (Anm.: die Studenten) des Corps Friso-Cheruskia für das Problem der Ausländerfeindlichkeit besonders sensibilisiert ist, "kann nur von Vorteil sein".

Wolfgang Voigt


Das oben gesagte dürfte heutzutage auf einen Großteil der Verbindungen zutreffen (mit Ausnahme diverser Burschenschaften...) Zwar steht das "Lebensbundprinzip" ( d.h. die lebenslange Mitgliedschaft und der damit verbundene Austausch zwischen den Generationen ) der Aufnahme von Ausländern im gewissen Maße entgegen, vor allem wenn sie nach den Studium wieder in die Heimat zurück wollen. Jedoch ist dies im Zeichen der zunehmenden internationalen Mobilität von immer geringerer Bedeutung, sodaß etwaige formelle Hindernisse in der Praxis an der Basis flexibel gehandhabt werden.

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