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Städtische Umfrage 1999/2000

Wieviele wollen die U-Strab?

Die U-Strab-Diskussion erhielt unter anderem auch deswegen Auftrieb, weil die in 2000 veröffentlichte städt. Bürgerumfrage 1999 unter 1533 Karlsruher Bürgern über 18 (0,63%) ergab, dass offenbar viele die U-Strab fordern. Dies war Anlass, die Verkehrsaspekte der Umfrage zu analysieren.

Bei den Schwerpunkten und dem Vergleich mit 92/96 eine Enttäuschung: "Der Bereich Verkehr wurde herausgenommen, da auf diesem Feld kaum mit kurzfristigen Verhaltensänderungen zu rechnen ist." Leider kann man so die Auswirkungen der lokalen und globalen Verkehrspolitik nicht verfolgen, zumal Verkehr, wie sich noch zeigt, das zentrale Thema der Bürger ist. Schlimmer: So kann man auch keine Beziehungen zwischen der bevorzugten Mobilität und den Antworten herstellen. Für uns ist es ein himmelweiter Unterschied, ob notorische Autofahrer fordern "die Bahn muss weg!" oder die Bahnkunden selbst; mit ein Grund für die VCD-Umfrage.

Lebensqualität und Verkehr

Die Lebensqualität in Karlsruhe stieg laut dieser Umfrage: 83% bezeichen sie als gut oder sehr gut, in 1996 waren es nur 74%. Haushalte mit Kindern, geringerem Einkommen und Bildungsstand, Arbeitslose, Ausländer und auch Singles benoten sie aber schlechter.

Den Bürgern wurden auch 23 Themen vorgelegt, deren Wichtigkeit und Qualität sie beurteilen sollten: Bei der Wichtigkeit lagen oft Themen vorne, die direkt oder indirekt mit der Mobilität oder deren Folgen zu tun haben: Sauberkeit der Luft (Platz 1/96% Nennungen), Grünanlagen (2/96%), Einkaufsmöglichkeiten (3/94%), Schutz vor Lärm (5/92%), Straßenbahnverbindungen (7/89%), Radwegenetz (13/74%). Bei der Qualität ergab sich folgende Rangfolge: Straßenbahnverbindungen (Platz 1/Note 1,7), Grünanlagen (4/2,0), Radwege (11/2,3), Einkaufsmöglichkeiten (13/2,3), Stadtbild (18/2,6), Schutz vor Lärm (19/2,7), Sauberkeit auf den Straßen (20/2,8), Sauberkeit der Luft auf dem letzen Platz (23/3,0).

Die Folgen der Mobilität -- Lärm und schlechte Luft -- bei der Wichtigkeit ganz vorne, aber bei der Bewertung ganz hinten, mindern die Lebensqualität deutlich! Es ist unverständlich, dass einige Politiker immer noch Frischluftschneisen (Beiertheimer Feld, Alter Flugplatz) verplanen oder mehr Verkehr auf neuen Straßen wollen (Nordtangente, 2. Rheinbrücke).

Stadtimage und Verkehr

Bei den frei ausfüllbaren Feldern, was einem gut oder gar nicht an Karlsruhe gefällt, wurden positiv benannt: Grünanlagen (Platz 1/26%), Schloss (3/15%), Straßenbahnnetz (4/15%), City (11/4%), Radwege(14/3%). Negativ benannt: Verkehrsführung Auto/Rad, Ampeln (1/19%), Innenstadt, Europaplatz (2/17%), Wetter, Luft (3/9%), Straßenbahn in Fußgängerzone (4/9% Spalte 1), Parkplätze (5/7%).

Auswärtige aus anderen Großstädten berichten immer wieder, wie gut in Karlsruhe der Autoverkehr fließt. Trotzdem wird der Autoverkehr deutlich negativer als die Bahn bewertet. Interessant: Wenn man zu den guten und schlechten Seiten von Karlsruhe insgesamt fragt, finden mehr Leute den ÖPNV positiv (14,7%) als dass die Straßenbahn in der Fußgängerzone als negativ angemerkt wird (9,2%). Selbst Wetter/Luft ist schlechter (9,4%) als die Bahn (9,2%).

Politik und Verkehr

Bei den Themen, die von Verwaltung oder Gemeinderat nur teilweise zur Zufriedenheit der Bürger gelöst werden, liegen hinter langwierigen Entscheidungen (37%) und Parteienstreit (22%) der Individualverkehr (19%) die U-Strab bzw. Bahn allgemein (18% in 99 Spalte 5, 4%/10% in 92/96) auf Platz 3 und 4. Eine Steigerung für 1999 bei der Bahn, aber es ist unklar, ob U-Strab oder bspw. die heftig umstrittene Bahn in die Nordstadt. Fragt man, wo die Bürger mitwirken möchten, stehen auch Verkehr und Verwandtes auf vorderen Plätzen: Verkehrsplanung, -regelung (Platz 1/38%), Stadtplanung ohne Verkehr (3/22%), Straßenbahn (5/14%).

Zukunft und Verkehr

Der Punkt, der bzgl. U-Strab für Wirbel sorgte, steckte im Block "Zukunftsaufgaben" Spalte 6. Welche 3 Bereiche sollen in den nächsten 5 Jahren Vorrang haben, da wegen des begrenzten Geldes nicht alles gleichzeitig getan werden kann? 24 Bereiche wurden vorgegeben und ein freies Feld stand zur Verfügung.

Die Schaffung von Arbeitsplätzen stand an der Spitze mit 48% (12%/41% in 92/96). Aber gleich an zweiter Stelle sollen die Straßenbahnen in der City unter die Erde mit 37% (1%/-- 92/96). Es folgen Verbesserung der Luft Platz 3/24%, Attraktivität der Innenstadt 4/20%, Einschränkung des Pkw-Verkehrs in der City 6/13%, Radwegenetz 7/13%, Verkehrslärm 8/12%, Tempo 30 12/10%, Neue Straßenbahnlinien 18/6%, mehr City-Parkhäuser 21/5%, Wohnversorgung 22/5% (48%/18%), Ausbau Straßennetz 23/4%.

Ein Feld konnte frei belegt werden. 1992 taten dies 5 Leute mit dem Thema Tram in der City, während 1996, als das Thema öffentlich diskutiert und entschieden wurde, keinem Befragten einfiel, dieses Thema als wichtig für die nächsten 5 Jahre nachzureichen? Erst als das Thema 1999 vorgegeben wird, entscheiden sich 37% dafür. In den Fragen zur Lebensqualität sah man den hohen Stellenwert und die niedrige Qualität der Bereiche Luft und Lärm, trotzdem wollen nur 24% bzw. 12% hierbei investieren lassen. Kapitulation? Oben beschwerten sich viele über die Verkehrsverhältnisse des MIV, aber nur 5% bzw. 4% wollen in neue Parkhäuser bzw. Straßen investieren. Schlechte Noten bei Lebensqualität und Stadtimage für den Autoverkehr und dessen Folgen Lärm und Luft, bessere Noten dort für die Bahn, trotzdem wollen deutlich mehr Leute in das Entfernen der Bahn als der Autoverkehrsprobleme investieren. Warum nur? Bei der U-Strab gibt es die vollmundige Versprechung, das Problem radikal und vollständig zu lösen, also lasst es uns doch machen!? Zumal viele die Bahn gar nicht nutzen, da kann man leicht fordern. Beim Autoverkehr gibt es keine solche radikalen und vollmundigen Versprechungen und selbst wenn: Man würde sie nicht hören wollen, weil man dann auf sein geliebtes Auto verzichten müsste...

City und Verkehr

Nach fast gleichen Zahlen in 92/96 sank die Bewertung der City drastisch: Für 32% entspricht sie den Vorstellungen (51%/52% 92/96), aber für 62% sind Verbesserungen nötig (42%/44%). Derart drastisch hat sich diese nach meiner Beobachtung als Citybewohner aber nicht verändert in den 3 Jahren! Folge einer einseitigen Diskussion? Wurde die City schlecht geredet?

Auch hier führend, aber stark schwankend, das Thema Straßenbahn: Im freien Feld gaben immerhin 50% etwas mit Straßenbahn als Problempunkt an, 92/96 waren es 41%/26% (96 Bürgerentscheid!) Spalte 2. Diese mit "Problem Straßenbahn" titulierten 50% setzen sich aber aus drei unterschiedlichen Aussagen zusammen: "U-Strab fehlt, Straßenbahn untertunneln!" mit nur (!) 7% 2a, "zu viele Straßenbahnen" mit 40%, "es gibt keine richtige Fußgängerzone" mit 3%. Auffällig hier: Nirgendwo sonst in den Tabellen werden Aussagen derart zusammengefasst und fett hervorgehoben. Die nur 7%, die hoffnungsgemäß direkt den Tunnel nannten, reichen wohl nicht und müssen mit 40%+3% anderen Aussagen aufgefüllt werden, denen dort vielleicht "nur" zu viele Bahnen fahren?

Gestiegen ist das Thema Flair von 9% in 96 auf 14%. Gesunken ist dagegen um ca. denselben Betrag die Nennung von "mehr Cafés, Ruhezonen, Gemütlickeit" von 12% auf 8%, die auch genau dieses Flair ausmachen und für die die U-Strab Platz schaffen soll. "Flair" ist genau das Modewort der City-/U-Strab-Diskussion!

Weiter sollten vorgegebene Punkte bewertet werden. Die Erreichbarkeit mit der Bahn ist vorbildlich (92%), mit dem Rad stieg sie (von 62% auf 84%, Zirkel? Umbau Durlacher Allee?), mit dem Auto sank sie (von 13% auf 8%). Die Kritik an der Fußgängerzone stieg etwas: 11% (96 9%) bewerteten sie mit 5 oder 6, aber immerhin 27% (34%) bewerteten sie mit 1 oder 2, Note im Mittel 3,0 (3,2). Bei 4 Punkten konnte man die Störung spezifizieren: Bei der Ausgestaltung der Fußgängerzone lag die störende Bahn mit 61% bei denen, die diese Frage mit 4 oder 5 bewerteten, vorne Spalte 3.

Zusätzlich gab es noch die Frage: "Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht für die weitere Entwicklung der Innenstadt, dass die Kaiserstraße in eine reine Fußgängerzone ohne Straßenbahn umgestaltet wird?" 35% war dies sehr wichtig ( Spalte 4a der Tabelle), 24% wichtig ( 4b), 21% weniger wichtig, 20% unwichtig.

Vergleich der U-Strab-Zahlen nach Teilgruppen

An etlichen Stellen der Umfrage taucht die U-Strab mit sehr unterschiedlichen Zahlen auf, die Tabelle fasst zusammen. ("frei": Feld für beliebige Kommentare, "Beding.": Beantwortung nur, wenn vorherige Frage positiv/negativ beantwortet, darunter dieser Anteil, "umger.": Umrechnung dieses Teils auf Gesamtgruppe) Wir vergleichen:

s. Text: 1 2 2a 3 4a 4b 5 6
Frage: Stadtimage: Innenstadt: Wie wichtig für Entwicklung City Gemeinderatrat / Verwaltung Zukunft
Was gefällt nicht an Karlsruhe? Verbesserung notwendig: Problem Straßenbahn davon Tunnel Störung Fußgängerzone sehr wichtig wichtig unzufrieden 3 wichtigste Aufgaben
freies Eingabefeld ja ja ja nein ja nein
Anzahl Leute 891 957 527 1496 753 1514
Bedingte Frage nein ja ja nein ja nein
Anteil dann 62,4 34,4 67,9
gesamt 9,2 49,5 6,6 61,3 35,2 24,4 17,9 37,3
dann umgerechnet 30,9 4,1 21,1 12,2
männl. 9,2 51,2 7,7 67,5 38,1 22,8 19,9 41,0
weibl. 9,3 47,7 5,6 55,8 32,4 26,1 15,8 33,6
jünger 30 4,8 41,3 9,0 53,8 24,8 22,6 27,3 30,7
30-45 12,7 51,0 6,7 57,5 37,6 22,3 19,5 33,0
45-60 11,3 53,7 3,2 61,6 40,0 24,2 14,1 39,5
älter 60 7,1 49,7 7,9 69,3 36,5 28,3 15,1 44,8
davon älter 756,5 42,0 6,8 x 26,4 29,1 11,2 38,2
Hauptschule 13,6 62,4 8,0 65,8 39,1 25,2 17,6 44,7
Realschule 10,2 47,0 5,8 60,8 37,6 21,0 13,6 38,4
Abitur 7,1 44,1 6,4 59,9 32,2 25,5 20,3 32,6
weniger als DM 1500 6,0 35,2 9,7 x 22,2 19,8 x 24,9
weniger als DM 3000 7,9 40,1 2,3 52,8 26,6 20,6 22,6 28,6
weniger als DM 4500 8,8 60,4 9,5 68,0 41,3 23,5 19,5 44,9
weniger als DM 6000 6,3 54,8 3,4 68,1 35,6 27,9 20,4 35,9
weniger als DM 600016,6 45,2 6,8 68,1 42,6 24,2 22,0 50,9

Frauen wollen deutlich weniger die U-Strab als Männer. Meine Vermutungen: Angst in Tunneln, Unsicherheitsgefühl, Frauen sind eher auf den ÖPNV angewiesen, Männer denken eher in Großprojekten. Je älter, desto eher für die U-Strab. Da mag man an die Gefahr für ältere Leute denken, aber warum dann oft eine Umkehr über 75? Vielleicht sind jüngere Leute dem ÖV aufgeschlossener als die älteren?

Haushalte mit kleinem Monatseinkommen, vermutlich Leute, die über kein Auto verfügen, befürworten die U-Strab deutlich weniger. Ganz anders Haushalte mit hohem Einkommen, denen der Preis für Benzin und Parkschein eher egal ist und daher öfter mit dem Auto in die City fahren? Leider wurde ja die bevorzugte Mobilität nicht erfasst. Somit muss man solche Indizien interpretieren.

Interessant die Staffelung nach Bildungsniveau: Je niedriger, desto höher die Zustimmung zur U-Strab. Außer dass Leute mit niedrigerem Bildungsniveau womöglich durch Versprechungen von Politikern leichter beeinflussbar sind und diese weniger kritisch hinterfragen, fällt mir dazu keine bessere Erklärung ein. Allerdings passt sie zu den weiter oben angeführten Widersprüchen, die auch durch die Versprechungen der Politik erklärbar werden.

Für Leute wie uns, die die Vorteile oberirdischer Trams kennen, sind einige Zahlen erschreckend. Ein großes Manko der Bürgerumfrage ist, dass Querbeziehungen zwischen bevorzugter Mobilität und Stellung zur U-Strab fehlen. Bislang wird das Bild über die U-Strab von den verlockenden Bildern geprägt, die mit einer straßenbahnfreien Fußgängerzone gezeichnet werden. Autofahrer haben Vorteile: An wichtigen Kreuzungen und anschließend beim Bummeln stören die Bahnen nicht mehr. Autofahrer sollten aber nicht alleiniger Maßstab der Politik sein. Die großen Nachteile für die Kunden des ÖPNV und dessen Zukunft, die sich bei der Vorstellung des reinen Tunnels im städt. AK ÖV abzeichnen, sind vielen noch nicht bewusst. Wenn klar wird, dass der ÖPNV bei einem reinen Tunnel nicht mehr ausbaufähig und auch nicht mehr sehr kundenfreundlich ist, dass dann womöglich Bahnkunden zurück auf das Auto umsteigen und die Straßen verstopfen, dass das Stadtbild stellenweise leidet und dass deswegen die Versprechungen der Wahlkämpfe nicht mehr gehalten werden können, dann dürfte sich das Meinungsbild wieder wandeln, zurück auf den Stand von 1996. Die Zahlen der Bürgerumfrage sind jedenfalls zu unsicher für eine Entscheidung pro U-Strab. Man sollte nochmals fragen: differenzierter und vor allem die betroffenen Bahnkunden.

Heiko Jacobs


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