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Stuttgart 21

Bekommt Stuttgart einen neuen Hauptbahnhof?

Die Planungen für einen neuen Stuttgarter Hauptbahnhof stehen seit einigen Jahren immer mal wieder im öffentlichen Interesse. Als Bahnchef Mehdorn Anfang des Jahres wieder einmal größere finanzielle Probleme bei der DB AG einräumen musste, schien für dieses Projekte das definitive Aus gekommen zu sein. So hatten sich auch die Landesregierung Baden-Württembergs und die Stuttgarter Stadtoberen schon fast mit dem Ende ihres Vorzeigeprojekts abgefunden.

Die überraschende Wende erfuhr das Projekt, als sich die Beteiligten, Bundes- und Landesregierung, Stadt und Region Stuttgart sowie die Bahn, Mitte Februar über die Realisierung einigten und einen Baubeginn 2004 ins Auge fassten.

Die Hauptbestandteile des Projektes sind der neue Hauptbahnhof und die Schnellbahnstrecke nach Ulm.

Der jetzige Stuttgarter Kopfbahnhof soll durch einen unterirdischen Durchgangsbahnhof ersetzt werden. Zukünftig sollen die Züge quer zur heutigen Bahnsteiglage halten. Züge aus Richtung Karlsruhe und Mannheim werden so ohne Richtungswechsel nach Ulm und München weiterfahren können. Da die Zufahrten zum geplanten Bahnhof durch dichtbebautes Stadtgebiet führen, werden sie ebenfalls als Tunnel ausgeführt. Der Reisende der Zukunft würde Stuttgart nur noch als "U-Bahn-Haltestelle" wahrnehmen.

Ebenfalls Bestandteil der Planung ist der neue "Filderbahnhof" am Stuttgarter Flughafen. Von Wendlingen bis Ulm soll die Neubaustrecke als Schnellfahrstrecke parallel zur bestehenden Autobahn A8 ausgeführt werden. Die heutige Hauptstrecke (Geislinger Steige) würde dann nur noch dem Regionalverkehr dienen.

Für die Realisierung ist von den Verantwortlichen folgender Zeitplan vorgesehen: Das Planfeststellungsverfahren soll 2003 abgeschlossen werden, so dass 2004 die Bauarbeiten beginnen können und 2010/11 sowohl der neue Hauptbahnhof wie auch die Schnellbahnstrecke nach Ulm in Betrieb gehen können.

Finanziert werden soll der neue Hauptbahnhof durch den Verkauf der freiwerdenden Grundstücke des heutigen Gleisbereichs. Als Baukosten für dessen Neubau werden 5 Mrd. DM genannt, die Neubaustrecke nach Ulm wird mit 3 Mrd. DM veranschlagt. Anzumerken ist hier, dass sich diese Zahlen schon seit Jahren nicht geändert haben, während bei vergleichbaren Projekten wie der Neubaustrecke von Köln nach Frankfurt die tatsächlichen Kosten alle Planungen schon längst überholt haben. Die Initiative "Leben in Stuttgart - Kein Stuttgart 21" rechnet mit einem Fehlbetrag alleine für das Bahnhofsprojekt von 2 Mrd. DM.

Nach der Realisierung des neuen Untergrundhauptbahnhofs steht dann der heutige Gleisbereich für eine Erweiterung der Innenstadt zur Verfügung. Da das Projekt durch den Verkauf dieser Fläche zu einem großen Teil finanziert werden soll, wird hier eine stark verdichtete Bebauung von so genannten "Büro- und Geschäftshäusern" entstehen. Die Beteuerungen, man würde z.B. durch Vergrößerung des Schlossgartens mehr Grünflächen und damit mehr Lebensqualität in der City haben, erscheinen vor dem wirtschaftlichen Hintergrund des Finanzierungsplans geradezu scheinheilig.

Auch wenn die Vertreter von Stadt, Land, Bund und Bahn das Projekt Stuttgart 21 als beschlossene Sache darstellen, so steht doch noch die Zustimmung des Aufsichtsrats der DB AG aus. Dieser will sich am 14. März mit diesem Thema befassen. Diese Entscheidung ist insofern von Interesse, da ausgerechnet dieser Aufsichtsrat ein Gutachten zur Wirtschaftlichkeit von Stuttgart 21 in Auftrag gegeben hat, was aber noch nicht vorliegt.

Nicht unwahrscheinlich ist daher das Scheitern des Projekts, wenn man bedenkt, dass dies heute nicht der erste "Durchbruch für Stuttgart 21" gewesen ist. Nach Angaben des BUND in der Landeshauptstadt hat es schon mindestens vier solcher "Grundsatzentscheidungen" in den letzten Jahren gegeben.

Aus Sicht des Bahnverkehrs stellt das geplante Konzept eine böse Falle für den Eisenbahnverkehr dar. erhalten, der heutige Kopfbahnhof hat sechzehn. Diese geplanten acht Gleise reichen gerade einmal aus, wenn die Züge nach kurzem Halt sofort weiterfahren. Ein Warten auf verspätete Anschlüsse wäre nicht möglich. Weiter ist eine sinnvolle Verknüpfung von Fern- und Regionalverkehr kaum mehr möglich, da hierbei die Nahverkehrszüge vor den Fernzügen ankommen aber nach ihnen abfahren müssten, dies wird aber schon bei der heutigen Zugfolge an mangelnden Kapazitäten scheitern. Stuttgart 21 würde somit auch einen integralen Taktfahrplan in Baden-Württemberg unmöglich machen. Durch die unterirdische Bauweise wird auch jegliche Kapazitätserweiterung von vornherein verbaut. Fatal ist dieser Umstand, wenn man einen weiteren Anstieg der Fahrgastzahlen unterstellt. Stuttgart 21 würde nicht zur Drehscheibe sondern zum Flaschenhals des europäischen Bahnverkehrs. Vielleicht wäre dann die Konsequenz eine Umfahrungsstrecke mit einem Bahnhof an der Peripherie?

Die Verfechter von Stuttgart 21 argumentieren, man könne eine nennenswerte Fahrtzeitverkürzung nur durch die Realisierung des neuen Hauptbahnhofs und der Neubaustrecke erreichen. Dies ist aber falsch, da im Stadtgebiet nur ca. vier Minuten an Fahrzeit eingespart werden können, durch die Neubaustrecke aber eine Fahrtzeitverkürzung von ca. 25 Minuten erreicht werden kann. Wenn man bedenkt, dass die Neubaustrecke nur gut die Hälfte der Stadtunterfahrung kostet, ist das Geld für die Neubaustrecke wesentlich effektiver eingesetzt. Hier drängt sich die Vermutung auf, man möchte sich in Stuttgart einen Teil der Stadtentwicklung aus den Verkehrshaushalten von Land und Bund finanzieren lassen.

Der geplante Flughafenbahnhof ist unnötig, da der Flughafen bereits heute durch die S-Bahn gut angebunden ist. Weiter stellt sich hier die Frage, warum die Bahn ein Konkurrenzsystem übermäßig unterstützen soll.

Die Alternative zu Stuttgart 21 ist der bestehende Kopfbahnhof. Die klassischen Nachteile eines Kopfbahnhofs zählen heute kaum noch: Moderne Triebwagen und Wendezüge verlangen keine aufwendigen Rangiermanöver mehr, wie dies bei lokbespannten Zügen nötig ist. Daher werden weniger Betriebsgleise im Bahnhofsvorfeld benötigt und ein Teil könnte auch heute schon abgebaut werden. Weiter muss berücksichtigt werden, dass viele (Regional-)Züge sinnvollerweise in Stuttgart enden, weil die Fahrgäste in die Innenstadt möchten und nicht durch sie hindurchfahren. Hier ist der Kopfbahnhof sogar im Vorteil, weil die Züge nach kurzem Aufenthalt wieder zurückfahren. Bei 8 Gleisigen in Stuttgart 21 wird nicht die Möglichkeit bestehen, dass hier Züge wenden. Zum Abschluss noch eine Betrachtung aus Karlsruher Sicht auf das Projekt in der Landeshauptstadt: Fahrtzeitverkürzungen von Karlsruhe nach Stuttgart wird es nicht geben, es sei denn man fährt weiter Richtung München. Weiter sollte jedem klar sein, dass das Geld, das für Stuttgart 21 vom Land ausgegeben wird, nicht mehr für andere Projekte, z.B. zum Ausbau des Nahverkehrs, zur Verfügung steht.

Informationen zu Stuttgart 21 und Alternativen gibt es im Internet unter http://www.vcd.org/bawue/s21/s21.htm und http://www.stuttgart21.de/ . Außerdem befindet sich im Hauptbahnhof Stuttgart eine Ausstellung zum aktuellen Stand der Planung.

Martin Thyssen


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