VCD Karlsruhe Inhalt dieser Ausgabe kfk-Archiv

Kopfzeile

Potentiale rein oberirdischer Netze

Auch ein rein oberirdisches Netz hätte Möglichkeiten, die Fußgängerzone moderat zu entlasten und auch einen Zuwachs an Kunden sinnvoll aufzufangen. Auf welche Bausteine baut ein solches Konzept auf?

Ein Baustein ist eine andere Organisation der Stadtbahnlinien. Heute fährt die S5 quer durch die komplette Fußgängerzone und bindet so den Hauptbahnhof nicht an. Nur die S4, die am Marktplatz abbiegt, tut dies. Eine dritte Linie, die S3, fährt bisher nur zum Hauptbahnhof. Deren Einbindungspläne über den Gleisbauhof überzeugen uns nicht, wie der kreisfairkehr berichtete. Alternativ könnte die Stadtbahn aus Wörth am Europaplatz zum Hauptbahnhof abbiegen und ab dort weiter zum Durlacher Bahnhof. Die Stadtbahn aus Baden-Baden und die geplante aus dem Murgtal fahren wie bisher vom Hauptbahnhof aus über den Marktplatz zum Durlacher Bahnhof. Alle Zweisystemlinien haben so Anschluss an den Fernverkehr und es fährt eine große Stadtbahnlinie weniger durch die Fußgängerzone. Für ein solches Vorhaben ist am Hauptbahnhof oder nahebei eine zweite Stadtbahnrampe notwendig zusätzlich zur bestehenden der S4. Dafür gibt es verschiedene Vorschläge auf der Nord- und Südseite und zentral.

Ein weiterer möglicher Baustein ist die Kriegsstraße, deren Umbau durch das ECE-Center wieder in die Diskussion gekommen ist (siehe links), so dass eine Bahn zwischen den Toren wieder möglich scheint. Man muss allerdings darauf achten, dass man diese sinnvoll in ein Liniennetz integriert. Viele Vorschläge laufen darauf hinaus, dass einfach nur Linien komplett aus der Kaiserstraße verschwinden sollen, was zwar eine Entlastung brächte, aber keine fahrgastfreundliche Lösung darstellt. Entweder der Europaplatz oder der Marktplatz gehören durch jede Linie angebunden.

Bisher lautet die Philosophie, dass alle Bahnen in die City fahren. Dort wollen die meisten Fahrgäste hin, aber der "Rest" muss umsteigen. Rund um die Fußgängerzone ist der Anteil der Bahnnutzer bei Pendlern und Kunden schon heute sehr hoch wegen vieler Trams und wenig Parkplätzen. Zuwächse sind daher eher bei Zielen außerhalb der City zu erwarten. Bei Fahrgastzuwächsen kann man Fahrzeuge verlängern (Doppeltraktion), E-Wagen einsetzen oder den Takt regulär verdichten. Spätestens wenn dies auch außerhalb der Hauptverkehrszeit nötig ist, dann wird dieser Umsteiger-"Rest" irgendwann so groß, dass er eine kleinere Bahn füllen könnte und es werden Linien rentabel, die nicht direkt in die City fahren.

Einen solche Spezialisierung stellen heute die Linien 1 und 2 aus Durlach dar. Ähnlich würde ein Lückenschluss zwischen Endhalt Rintheim und der Straßenbahnstrecke Haid-und-Neu-Straße funktionieren: Die schwach ausgelastete Linie 5 entlastet die zeitweise überlastete Linie in die Waldstadt. Der Weg über Rintheim ist zwar länger, aber auch hier wäre das künftige ECE-Center mit der 5 direkter erreichbar, so auch bei den Linien 1 und 2.

Auch periphere Linien ohne Cityanbindung könnten das Netz ergänzen. Mindestens ein Beispiel ist schon angedacht: Der Durlach-Shuttle, der Wolfartsweier mit dem Nebenzentrum Durlach verbinden soll. Ähnliches könnte man z.B. zwischen Neureut und Oberreut über das Nebenzentrum Mühlburg anbieten. Für eine schnelle Verbindung zwischen Leopoldshafen und Neureut zum Hauptbahnhof über das Gütergleis zwischen Neureut und Mühlburg soll es heute schon einen nennenswerten Bedarf geben, so dass man offenbar in diese Richtung plant. Auch die angedachte Straßenbahn in der Pulverhausstraße könnte Umsteiger von den Linien S2 und 1 zum Bahnhof aufnehmen. Nicht zuletzt könnte man auch den Eisenbahnhalbring von Wörth über den Hauptbahnhof nach Durlach oder Hagsfeld stärker nutzen als schnelle Ost-West-Verbindung, z.B. durch Verlängerung von Zügen aus der Pfalz oder der künftigen Rhein-Neckar-S-Bahn oder aus dem Murgtal.

Solche Linien könnten nicht nur bestehende Linien entlasten, sondern auch neue Kundenströme erschließen, für die das bisherige Liniennetz durch häufiges Umsteigen und Umwege zu unattraktiv ist. Diese würden die Mehrkosten solcher Zusatzlinien minimieren. Diese Kundenströme würde man vernachlässigen, wenn man durch eine Verdoppelung der Kapazität des City-Tramnetzes weiterhin alle Bahnen in die City fahren lassen könnte.

Fazit: Ein reines Tunnelnetz ist von den derzeitigen Entscheidungsträgern der Stadt politisch gewollt, aber aus verkehrlichen Gründen untragbar, da es künftige Entwicklungen des ÖPNV stark behindert. Ein Mischnetz tut dies nicht, entspricht aber eben nicht den politischen Vorgaben und fiel beim Bürger schon einmal durch. Es ist zu befürchten, dass sich diese beiden Positionen gegenseitig behindern und dass deswegen über eine längere Zeit nichts passieren wird. Dies gefährdet stark das erfolgreiche Karlsruher Modell.

Natürlich wird die Fußgängerzone bei einem rein oberirdischen Netz nicht straßenbahnfrei, sondern wird nur ein wenig entlastet und die Zuwächse werden kundenfreundlich mit neuen Zusatzangeboten aufgefangen, ohne das Angebot für die bisherigen Kunden einzuschränken. Aber die Fußgängerzone zu einer Ruhezone zu machen, ist eh eine uneinlösbare und letztendlich wohl auch ungewollte Versprechung, für Ruhezonen hat Karlsruhe anderswo bessere Potentiale (s.a. Titelseite).

Anstatt auf den Tunnel zu warten sollte man Maßnahmen wie die oben erwähnten umsetzen, denn sie sind unabhängig vom Tunnel sinnvoll. Vor allem sind sie in kleinen Schritten umsetzbar, je nach Bedarf, anstelle eines großen Brockens für die U-Strab, und sie sind in vielfacher Hinsicht fahrgastorientierter.

Heiko Jacobs


Karlsruhe: Attraktive Innenstadt?
Europaweiter Autofreier Tag
Standortvorteil: Spielplatz bei St. Stephan
ECE-Center krempelt City um, ECE und Verkehr
Vision "autofreie" Kriegsstraße?
Neue U-Strab-Planungen
Potentiale rein oberirdischer Netze
Durlachs Fußgängerzone und Autoverkehr
5 Jahre stadtmobil: carsharing in Karlsruhe
Unter Strom, Buch
NEU! Fahrplankarte Südlicher Oberrhein
Neuer Landesvorstand
Editorial

Termine
Impressum

VCD Karlsruhe Inhalt dieser Ausgabe kfk-Archiv