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(Schein-)Lösungen der Verkehrspolitik

Bringt die Erhöhung der Mineralölsteuer mehr Schaden oder Nutzen für die Volkswirtschaft?

Unter diesem Titel eingeladen hatten die Karlsruher Umweltgruppen zu einem Vortrag von Dieter Teufel, dem Leiter des Heidelberger Umwelt- und Prognose-Instituts (UPI). Hier eine Zusammenfassung seiner Aussagen.

Von 1970 bis 1995 wurde die Straßenlänge in Deutschland (alte Bundesländer) um 10% erhöht (zusätzliche Fahrspuren eingerechnet), die PKW-Fahrleistung erhöhte sich in dieser Zeit aber um 100% die LKW-Fahrleistung um 70% Die Expansion der Fahrten war also neunmal schneller als der Straßenzuwachs. Das zeigt, wie illusorisch es wäre, dem Zuwachs der fahrenden Autos die Straßen hinterherbauen zu wollen. Und selbst wenn man es könnte -- ein Effekt würde den weiteren Stau sichern:

Wenn eine Zunahme des Autoverkehrs durch Umgehungsstraßen kompensiert wird, werden als positive Wirkung meist Wohngebiete an der alten Durchgangsstraße entlastet und Kohlenmonoxid vermieden, weil Staus wegfallen. Dagegen gibt es zahlreiche negative Auswirkungen, wie die Erhöhung der Fahrgeschwindigkeiten, die für schwerere Unfälle, Zunahme der Fahrentfernungen und damit mehr Verkehr sorgen. Da meist auch Naherholungsgebiete durch die neue Straße zerstört oder zumindest verlärmt werden, nehmen die Fahrten zu weiter entfernten Erholungsräumen zu -- und damit die Autofahrten. Da alle diese Folgen eine positive Rückkopplung bewirken -- der Autoverkehr nimmt zu, also müssen weitere Umgehungsstraßen gebaut werden -- können schon geringe Effekte durch die gegenseitige Verstärkung riesige Wirkungen hervorrufen. Und genau in diesem Teufelskreis befinden wir uns derzeit.

Ein anderer Vorschlag für eine Lösung der Verkehrsprobleme sind Verkehrsleitsysteme: Sie führen zu einer besseren Auslastung der vorhandenen Straßen -- erhöhen damit die Attraktivität des motorisierten Individualverkehrs, führen also zu einer Zunahme des Autoverkehrs. Und sobald viele Verkehrsteilnehmer den Ratschlägen des Leitsystems folgen, wird auch ein Bypass schnell verstopft. Oft wird der Öffentliche Verkehr als Ausweg für solche Fälle angegeben: Aber der ist nur bei regelmäßiger Auslastung ökonomisch sinnvoll und kann nicht nur für Notfälle missbraucht werden.

Neue Antriebstechnologien sind für viele die Hoffnung. Wie sieht es da aus? Das Elektroauto ist durch die vielfache Umwandlung der Energien mit entsprechenden Verlusten eher leicht schlechter im Verbrauch als ein Benziner. Zwar schneiden kleine Elektrofahrzeuge gut ab, aber das liegt an ihrer Größe -- mit entsprechenden Einschränkungen bei der Nutzung --, nicht am Antrieb. Die Verbrennung von nachwachsenden Rohstoffen ist klimaneutral, weil das freigesetzte CO2 vorher beim Wachstum der Pflanzen aus der Luft geholt wurde. Rechnet man aber den Energieeinsatz bei Anbau und Verarbeitung etwa von Raps mit, dann ist das Treibhauspotential etwa wie bei Diesel. Hinzu kommt aber ein enormes Flächenproblem, weil bei Ersatz von 10% des Diesels in Deutschland durch Rapsmethylester ¾ der landwirtschaftlichen Nutzfläche erforderlich wären. Die Brennstoffzelle, betrieben mit Wasserstoff wird oft als das Antriebsmittel der Zukunft gesehen. Aber Wasserstoff muss eben erst erzeugt werden -- auch hier ist die Gesamtenergiebilanz bei Benzin besser. Die Wasserstoffgewinnung mittels solar erzeugtem Strom wird noch lange nicht sinnvoll werden, weil zuerst einmal der "normale" Stromverbrauch umweltfreundlich bewältigt werden muss. Was ist mit Park & Ride? Hierzu das Ergebnis einer Umfrage unter 3000 P&R-Nutzern an 38 neuen P&R-Plätzen: Sie sind vorher zu 32% ganz mit dem Auto gefahren -- das hört sich gut an. 11% haben vorher "wildes" P&R betrieben. Aber 16% sind neu erzeugter Verkehr (die Befragten sind vorher nicht gefahren), 34% haben früher den ganzen Weg mit Bus und Bahn zurückgelegt, 7% sind vorher zu Fuß oder mit dem Fahrrad gefahren -- ein vernichtendes Ergebnis.

Die Bahn schließt immer mehr Flughäfen ans Hochgeschwindigkeitsnetz an, um die Kurzflüge auf den Zug zu verlagern. Aber was passiert? Tatsächlich werden 80% der Umweltbelastung erspart, wenn Kurzflüge durch Bahnfahrten ersetzt werden. Aber die wegfallenden Kurzflüge machen an den überlasteten Flughäfen Slots frei -- so können mehr Langstreckenflüge angeboten werden! Und ein Fernflug erzeugt gegenüber einem Kurzflug etwa die 10-20fache Menge CO2, 100-500mal so viel Treibhauseffekt durch Wasserdampf und etwa die 1000fache Zerstörung der Ozonschicht! Eine Reihe weiterer Scheinlösungen ist in der u.a. Studie des UPI aufgeführt.

Grafik der Zusammenhaenge

Was kann man dann eigentlich tun?

Statt P&R sind Bike&Ride-Anlagen besser, denn die (gerade im KVV-Gebiet meist kurze) Anfahrt kann auch per Pedales geschehen. Car-Sharing ist eine Möglichkeit, wenigstens den Blechhaufen auf der Straße zu vermeiden; nebenbei führt die Einzelabrechnung jeder Fahrt zu bewussterem Umgang mit dem Auto.

Aufteilung des Straßenraums:

In Heidelberg wurde bei einer pro Richtung 3-spurigen Straße jeweils eine Spur für Radfahrer reserviert. Tatsächlich gab es die für diesen prognostizierten Staus -- aber nur in den ersten Tagen. Danach waren die Staus geringer als vorher, weil die Autofahrer andere Lösungen gefunden haben. Vor allem verunglückten aber viel weniger Radfahrer als vorher. Und was sollte die Bundes-Politik tun? Dazu ein Bild: Wenn ein Außerirdischer sehen würde, dass in Deutschland die Benutzung des Straßenraums und die Abgabe von Abgasen in die Luft kostenlos sind, dann würde er meinen, dass offensichtlich Straßenraum und gute Luft im Überfluss vorhanden sind, als wir brauchen. Da das aber nicht der Fall ist, sind wohl politische Maßnahmen angesagt: Die externen Kosten des Autoverkehrs, etwa Treibhauseffekt, Flächenbeanspruchung, Wasser- und Luftverschmutzung, Lärm und Unfallfolgen und die Kosten für den Straßenbau müssten dringend auf die Autofahrer abgewälzt werden -- bisher zahlt das die gesamte Bevölkerung in Form von Steuern und Erduldung. Die Steuern sollten anders erhoben werden: Seit 1950 wuchs die Lohnsteuer auf das 30fache, während alle anderen Steuern deutlich geringer erhöht wurden -- wir tun alles, um Arbeit unbezahlbar zu machen, Umwelt haben wir dagegen anscheinend genug. Die ökologische Steuerreform geht in die richtige Richtung. Besser wäre allerdings ein Ökobonus: Die auf Umweltverschmutzung zu erhebenden Steuern würden direkt an alle Einwohner gleichmäßig zurückgegeben.

UPI-Bericht 23, www.upi-institut.de

Johannes Honné


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